Evelyne Laube
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Interview mit Evelyne Laube
Evelyne Laube ist freischaffende Illustratorin und Leiterin des BA Illustration an der Hochschule Luzern. 2008 hat sie mit Nina Wehrle das Illustrationsstudio "It's Raining Elephants" gegründet, fokussiert sich jetzt aber mehr auf die Förderung aufstrebender Nachwuchstalente in der Schweizer Designszene. Im folgenden Interview gibt sie einen Einblick in ihre Gedanken zum Zeichnen und die Wichtigkeit der Skizze in unserem Alltag.

Muss man heute überhaupt noch zeichnen können?
„Ja, unbedingt! Die Bedeutung des Zeichnens wird heute unterschätzt. Es ist ein Mittel des persönlichen Ausdrucks und bietet mir immer wieder neue Erkenntnisse – genau das möchte ich auch in meinem Beruf an der Schule vermitteln. Zeichnen ist eine Auseinandersetzung mit sich selbst und ein komplexer Prozess, bei dem Hand, Auge und Kopf zusammenwirken. Es öffnet ein grosses Feld für Imagination. Gerade heute, wo ich viel am Bürotisch sitze, vermisse ich das Zeichnen im Alltag oft. Ich muss mir bewusst die Zeit dafür schaffen. Aber es macht mir immer noch unglaublich viel Spass.


Das Zeichnen ist ein langsamer Prozess und genau darin liegt die Qualität. Es fördert alternatives Denken und die Fähigkeit, sich andere Welten vorzustellen und zu imaginieren. Diese Kraft der Imagination wird heutzutage viel zu wenig wertgeschätzt. In einer Zeit, in der wir von so vielen Informationen abgelenkt werden, braucht es bewusste Entscheidungen, sich dem Zeichnen zu widmen und den Durchhaltewillen zu behalten. Die gezeichnete Linie, die Ästhetik und die Erfahrung, die dabei entsteht – all das müssen wir pflegen, um Vertrauen in uns selbst aufzubauen. So wird das Zeichnen mit der Zeit zur Selbstverständlichkeit. Es hat einen einzigartigen, elektrisierenden Effekt.“
Warum zeichnest Du, wann setzt Du Skizzen in Deinem Alltag ein?
„Zurzeit zeichne ich hauptsächlich im familiären Umfeld. An meiner Schule habe ich eine repräsentative Rolle übernommen, die immer stärker auch politische Dimensionen annimmt. Es geht mir darum, das Berufsbild der Illustrator:innen zu fördern und ihre Bedeutung in der Gesellschaft stärker in den Fokus zu rücken. Gleichzeitig sehe ich meine Aufgabe darin, den Studierenden zu helfen, ihre Wahrnehmung zu schärfen und ihre Beobachtungsgabe zu vertiefen. Ich vermittle ihnen die Grundlagen der visuellen Gestaltung und Erzähltechniken und begleite sie auf ihrem Weg zu selbstständigen Illustrator:innen und Autor:innen. Dabei bleibt der kreative Prozess immer ein zentrales Element. Denn Prozesse sind selten geradlinig – immer wieder eröffnen sich neue Wege im Gestaltungsprozess. Für mich ist Zeichnen ein Weg des Erkenntnisgewinns.
Zeichnen ist ein faszinierend einfaches, aber zugleich unglaublich vielseitiges und ausdrucksstarkes Medium. Es ermöglicht mir, einen Dialog zwischen meiner Innen- und Aussenwelt zu führen. Das Beobachten wird intensiver, und ich nehme meine Umgebung mit neuen Augen wahr. Meine Gedanken werden sichtbar – sie materialisieren sich und liegen plötzlich auf dem Papier vor mir.“

Wie würdest Du Deinen Skizzenstil beschreiben?
„Ich schätze die Linie und das schnelle Zeichnen in Schwarz-Weiss. Es macht mir Spass, Ideen rasch zu visualisieren und dabei viele Skizzen zu erstellen. Im Berufsalltag an der Schule ist vieles immateriell, deshalb ist mir das Analoge beim Zeichnen besonders wichtig: Ich habe dann einen Stapel greifbarer Skizzen – ein sichtbares, fassbares Produkt. Beim analogen Arbeiten lasse ich gerne etwas Raum für grobe Entwürfe, die ich später im digitalen Prozess noch verfeinern kann. Entscheidend ist, immer offen und flexibel gegenüber der eigenen Skizze zu bleiben. Deshalb sage ich oft: Im kreativen Prozess müssen auch unerwartete Abzweigungen in völlig neue visuelle Richtungen möglich sein.“



